Wer ist die Rechtsschutzbeauftragte und was genau schützt sie?
Mittlerweile gibt es eine Fülle an Medienberichten über Aussagen verschiedenster Politiker, die die Arbeit der WKStA – der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – betreffen. Hier wird sie verteidigt, dort wiederum als „parteiisch“ bezeichnet. In diesem Zusammenhang interessiert insbesondere die Pressemitteilung der aktuellen Rechtsschutzbeauftragten, Gabriele Aicher. Dort wirft sie der WKStA vor, diese habe in einem bestimmten Ermittlungsverfahren eine rote Linie überquert. Anlassfall war die Vorgehensweise der WKStA in einem derzeit sehr aufmerksam verfolgten Tatsachenkomplex rund um eine österreichische Tageszeitung. Um genau zu sein entwickelte sich die Diskussion ausgehend von einer Hausdurchsuchung und einer damit verbundenen Überwachungsmaßnahme.
Die Frage, wie die WKStA tatsächlich in aktuellen Verfahren vorgegangen ist und ob sie dabei einen Fehler gemacht hat, wird für die Zwecke dieses Beitrags ausgeklammert. Denn hier interessiert uns die Frage, wie die Staatsanwaltschaft im strafrechtlichen Institutionengefüge aufgestellt ist und wer eigentlich darauf achtet, welche Maßnahmen von ihr gesetzt werden.
Überblick über das Strafprozessrecht
Das österreichische Strafrecht spielt sich öffentlichkeitswirksam vor den staatlichen Gerichten ab. Die dort entscheidenden Personen waren auf ihrem Weg zum Amt der Richterin einer langjährigen praktischen Ausbildung und zahlreichen Prüfungen unterworfen. Das ist für die österreichische Rechtsordnung die Rechtfertigung dafür, dass genau diese Personen, die Richterinnen, darüber entscheiden müssen, ob jemand ins Gefängnis kommt, oder eben nicht. Die Kehrseite ist, dass nur diese Personen über so etwas entscheiden dürfen. Und damit sie bei dieser Entscheidung nicht parteiisch sind, darf es auch nicht „ihre“ Sache sein, ob jemand im Gefängnis landet. Das heißt: der Vorwurf, über den eine Richterin zu entscheiden hat, wird nicht von der Richterin selbst erhoben. Wir haben kein Inquisitionssystem (mehr), in dem die Richterinnen gleichzeitig alle Ermittlungen leitet, den Sachverhalt feststellt und dann noch über diese Tatsachen entscheiden.
Hier kommt die Staatsanwaltschaft ins Spiel. Zu ihr findest du bereits einen Artikel von überzuckert. Kurzgesagt ist „die Staatsanwaltschaft“ der Sammelbegriff für jene Organe der Rechtsprechung, die für die Klärung eines Anfangsverdachts, für die Leitung der Ermittlungen gegen eine Person, und schließlich für die Erhebung der Anklage zuständig sind – sofern sich der Verdacht, die Person könnte eine Straftat begangen haben, erhärtet. Nur aufgrund eines von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwurfs – der Anklage – kann jemand zu einer gerichtlichen Haftstrafe verurteilt werden. Das nennt man den Anklagegrundsatz. Manche Ermittlungen, auf die sich eine Anklage stützt, spielen sich allerdings nicht im Lichte der Öffentlichkeit ab. Zu Maßnahmen, die die Strafverfolgungsbehörde ergreifen kann, zählen unter anderem Befragungen von Zeugen oder etwa die Identitätsfeststellung. Neben diesen offensichtlichen Maßnahmen gibt es solche, die erstens weitaus tiefer in die Persönlichkeitssphäre eingreifen und zweitens ohne Wissen der überwachten oder untersuchten Person stattfinden.
„Geheime“ Überwachung
Insbesondere hat die Staatsanwaltschaft unter ganz genau definierten und aufmerksam einzuhaltenden Umständen das Recht, eine Person, gegen die ermittelt wird, optisch und akustisch zu überwachen (z.B. abzuhören), oder etwa ihr Handy zu orten.
Das ist selbstverständlich eine heikle Angelegenheit. Um der Überwachung durch die Staatsanwaltschaft eine Grenze zu setzen, muss die Staatsanwaltschaft bei den oben genannten besonders heiklen Angelegenheiten vorher die Rechtsschutzbeauftragte um Bewilligung bitten. Das heißt: die Rechtsschutzbeauftragte nimmt den Rechtsschutz der Verdächtigen wahr – denn diese wissen nichts von den Maßnahmen, die gegen sie gesetzt werden. Die Rechtsschutzbeauftragte existiert also, weil es manchmal notwendig für die Strafrechtspflege ist, jemanden ohne dessen Wissen zu überwachen, aber dies nicht ohne die Wahrung der Rechte dieser Person stattfinden soll. Die Rechtsschutzbeauftragte überprüft die dahingehenden Anträge der Staatsanwaltschaft.
Und was ist mit der Rechtsschutzbeauftragten passiert?
In den Medien wurde nun über die aktuelle Rechtsschutzbeauftragte, Gabriele Aicher, viel geschrieben. Grund der medialen Aufmerksamkeit war, dass Gabriele Aicher eine Pressemitteilung ausgesendet hat, die gleich zweifach bemerkenswert war. Erstens hat sie darin die Arbeit der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit einer gewissen Hausdurchsuchung, wo ein Antrag auf Peilung eines Mobiltelefons nicht oder nur verspätet eingereicht worden sein soll, öffentlich und damit breitenwirksam kritisiert. Für sich genommen, so lässt sich wohl argumentieren, gehöre dies zu ihren Aufgaben, da sie ja die Staatsanwaltschaft zur Einhaltung der Rechte der überwachten Person bewegen soll.
Das Problem lag nun darin, dass diese Pressemitteilung angeblich von einem Anwalt, geschrieben wurde, der Personen im Umfeld jener Person vertritt, die Ziel der Handy-Peilung gewesen sein soll. Man fragt sich nun, warum das relevant sein soll – die Meinung hat die Rechtsschutzbeauftragte ja auch so vertreten. Nun, ganz so unproblematisch ist das wohl nicht. Im Strafprozess muss die Unparteilichkeit aller Seiten gewahrt bleiben. Die Staatsanwaltschaft hat genauso objektiv und rational vorzugehen wie eine Richterin. Wenn nun eine Institution, die für die ausgewogene Wahrung der Rechte von Verdächtigen, aber auch für die Genehmigung von Ermittlungsmaßnahmen betreffend diese Verdächtigen zuständig ist, mit den Anwälten von Personen, die gerade von der Staatsanwaltschaft untersucht werden, zusammen Pressemitteilungen verfasst, so hat das eine schiefe Optik. Klar ist eins: Zu jeder Zeit muss der Anschein, man könne nicht mehr in den unabhängigen und gewissenhaften Vollzug des Strafrechts vertrauen, vermieden werden.
Kurz gesagt
Die Rechtsschutzbeauftragte ist zum Schutz der Rechte jener Personen eingerichtet, die Ziel einer verdeckten bzw. geheimen Ermittlung der Staatsanwaltschaft werden. Hier greift die Staatsanwaltschaft in heikle Lebensbereiche ein, die nicht ohne weiteres staatliche Aufmerksamkeit verdienen.
Wenn die Staatsanwaltschaft eine geheime Ermittlungsmaßnahme durchführen will, muss sie zuerst bei der Rechtsschutzbeauftragten um Bewilligung ansuchen.
Kritik an der Staatsanwaltschaft ist selbstverständlich angebracht – wobei natürlich der Anschein, dass dadurch Elemente der Parteilichkeit in die Strafrechtspflege Eingang finden, jedenfalls vermieden werden muss.
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Leonard Soldo ist ohne jeden Zweifel ein juristischer Allrounder: Schon während seines Studiums hat er sich in die verschiedensten Rechtsgebieten vertieft und etwa völkerrechtliche Fragen oder die Rechtsordnungen muslimisch geprägter Staaten unter die Lupe genommen. Seine größte Leidenschaft gilt aber mittlerweile dem Unternehmensrecht. Er ist deshalb zurzeit am Institut für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht (viel) beschäftigt! Umso dankbarer sind wir, dass Leo einen Teil seiner kostbaren Zeit in einen Gastbeitrag für überzuckert investiert hat.
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