Warum der Verfassungsgerichts-hof über Martin Hos „Hidden Club“ entscheidet
Nicht alle Anrainerinnen sind glücklich über den Club, den der Unternehmer Martin Ho vor rund eineinhalb Jahren auf der Mariahilfer Straße eröffnet hat. Das Verfahren um die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung der Diskothek hat es nun bis vor den Verfassungsgerichtshof geschafft, wie berichtet wurde. Warum eigentlich?
Zunächst einmal zum Vokabular: Was ist eine gewerbliche Betriebsanlage? Das beantwortet ein Blick ins Gesetz, konkret in § 74 Abs 1 der Gewerbeordnung (GewO). Dieser definiert: „Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist.“ Das trifft etwa auf Tischlereien, Restaurants und Würstelstände zu. Aber eben auch auf den Hidden Club, weil er sich
an einem bestimmten Ort befindet (Mariahilferstraße 36) und
nicht nur vorübergehend (der Club besteht bereits seit über einem Jahr und soll wohl auch weiter betrieben werden)
der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit dient (das umfasst jede erlaubte Tätigkeit, die selbständig, regelmäßig und in Ertragserzielungsabsicht ausgeübt wird, sofern sie der Gewerbeordnung unterliegt).
So eine gewerbliche Betriebsanlage benötigt in der Regel eine Genehmigung. Grund dafür ist unter anderem, dass solche Anlagen zum Beispiel durch Geruch und Lärm Nachbarinnen belästigen oder – noch schlimmer – diese sogar in ihrer Gesundheit gefährden könnten. Deshalb sieht sich die zuständige Gewerbebehörde (in Wien: der Magistrat) so eine Betriebsanlage genau an und erteilt nur dann eine Genehmigung, wenn alle Voraussetzungen vorliegen. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass durch das Betreiben einer Anlage kein Mensch unzumutbar belästigt wird.
Alles nicht so (ver)einfach(t)
Im Normalfall dürfen sich Nachbarinnen – also vor allem jene Personen, die durch die Betriebsanlage gefährdet oder belästigt werden könnten (§ 75 Abs 2 GewO) – an so einem Verfahren beteiligen und ihre rechtlichen Bedenken gegen eine Anlage vorbringen.
Anders ist das jedoch im sogenannten vereinfachten Verfahren: Hier haben Nachbarinnen fast keine Mitsprache (auch wenn die Behörde ihre Rechte trotzdem wahren muss). Dahinter steht die Überlegung, dass Betriebsanlagen, die keine großen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben, rascher und einfacher genehmigt werden sollen. Unter diese „Bagatellanlagen“ fallen etwa Gastgewerbestätten mit höchstens 200 Plätzen, in denen keine laute Musik (maximal Hintergrundmusik) gespielt wird.
Spezial ist nicht egal
Ein solches vereinfachtes Genehmigungsverfahren hat es auch im Fall des Hidden Clubs gegeben. Dies deshalb, weil es sich hier um einen Sonderfall handelt: Nämlich um eine Spezialgenehmigung, die im Rahmen einer Generalgenehmigung ergeht. Paradebeispiel hierfür sind Einkaufszentren, die als solche eine Generalgenehmigung brauchen, während die einzelnen Geschäfte nur mehr eine Spezialgenehmigung benötigen.
Nun waren die Nachbarinnen eben nicht erfreut darüber, ihre Bedenken gegen den Club (vor allem wegen Lärmemissionen) im Genehmigungsverfahren nicht äußern zu können. Deshalb wendeten sie beim Magistrat ein, dass hier eigentlich gar kein vereinfachtes Genehmigungsverfahren stattfinden dürfe. Die Behörde erklärte allerdings, dass dies nach § 359b Absatz 1 Ziffer 4 GewO sehr wohl der Fall sei.
Darüber beschwerten sich die Nachbarinnen beim Verwaltungsgericht Wien – das die Sache jedoch genauso sah wie zuvor die Behörde. Ob die geschützten Interessen der Nachbarinnen (wie etwa nicht unzumutbar mit Lärm belästigt zu werden) durch die Anlage beeinträchtigt werden könnten, sei hier nicht ausschlaggebend. Bei Spezialgenehmigungen sei stets das vereinfachte Verfahren anzuwenden.
Auch dafür ist er da, der VfGH
Hier war aber noch nicht Schluss. Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien erhoben die Nachbarinnen noch ein Rechtsmittel an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Und dieser hat aufgrund dieses Rechtsmittels ein Normenkontrollverfahren eingeleitet: Der Verfassungsgerichtshof prüft nun, ob § 359b Absatz 1 Ziffer 4 GewO verfassungswidrig ist, weil damit jede Spezialgenehmigung ausnahmslos einem vereinfachten Verfahren unterzogen wird, wodurch Nachbarinnen keine Parteistellung haben.
Wenn der Gerichtshof keinen guten Grund dafür sieht, dass hier alle Spezialanlagen über einen Kamm geschoren werden, hat er die Regelung aufzuheben. Denn dann ist sie unsachlich und widerspricht damit dem sogenannten Gleichheitsgrundsatz. Für den Hidden Club würde das bedeuten, dass der Fall noch nicht zu Ende ist. Und die Nachbarinnen könnten womöglich doch noch dazu kommen, sich in einem Verfahren gegen die Diskothek zu wehren.
Kurz gesagt:
Der Hidden Club ist eine örtlich gebundene Einrichtung, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist, und damit eine gewerbliche Betriebsanlage.
Eine gewerbliche Betriebsanlage benötigt in der Regel eine Genehmigung nach der Gewerbeordnung. In Wien wird eine solche vom Magistrat erteilt.
Nachbarinnen haben im vereinfachten Genehmigungsverfahren keine Parteistellung. Die Regel, dass Spezialgenehmigungen (so eine hat der Hidden Club) ausnahmslos immer im vereinfachten Verfahren behandelt werden, wird nun vom Verfassungsgerichtshof dahingehend geprüft, ob sie unsachlich und damit verfassungswidrig ist.
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