Schwangerschafts-abbruch in Österreich – verboten und doch erlaubt?
In den USA steht womöglich das Ende des landesweit liberalen Abtreibungsrechts bevor. Der Supreme Court plant anscheinend, sein Grundsatzurteil Roe v. Wade – das Abtreibungen bis zum Beginn der Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt – zu kippen. In Österreich gibt es derartige Diskussionen nicht. Dabei ist der Schwangerschaftsabbruch hierzulande eigentlich unter Strafe gestellt. Warum Abtreibungen verboten und doch erlaubt sind und unter welchen Umständen, verrät dir dieser überzuckert-Beitrag.
„Eine Frau, die den Abbruch ihrer Schwangerschaft selbst vornimmt oder durch einen anderen zuläßt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.“ Dieser Satz steht im österreichischen Strafgesetzbuch, genau genommen in § 96 Absatz 3 StGB. Man darf ihn allerdings nicht isoliert lesen, sondern muss auch einen Paragraphen weiter schauen. Dort, in § 97 Absatz 1 StGB, steht dann nämlich: „Die Tat ist nach § 96 nicht strafbar, wenn …“ – und dann werden einige Fälle aufgezählt, die wir uns gleich genauer ansehen. Damit herrscht im Ergebnis in Österreich eine weitgehende Straflosigkeit für Schwangerschaftsabbrüche.
Die Fristenlösung
Erlaubt ist ein Schwangerschaftsabbruch etwa innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft, wenn er durch eine Ärztin und nach einer ärztlichen Beratung vorgenommen wird. Das wird „Fristenlösung“ genannt, weil eine Schwangere innerhalb einer gewissen Frist – ohne Gründe angeben oder gar beweisen zu müssen – abtreiben kann.
Die medizinische Indikation
Ebenso erlaubt ist der Schwangerschaftsabbruch zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren. Insofern wird von einer medizinischen Indikation gesprochen, wobei das Wort „Indikation“ den Grund für die Zulässigkeit meint. Das kann zB bei schweren Depressionen der Fall sein. Bestimmte Fristen gibt es hier nicht, aber der Eingriff muss durch eine Ärztin durchgeführt werden.
Keiner Ärztin bedarf es nur dann, wenn ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig möglich ist und der Abbruch der Schwangerschaft zur Rettung der Schwangeren aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr vorgenommen wird. Das wird auch als vitale Indikation bezeichnet, weil eine solche Abtreibung durch eine Nichtärztin eben bloß bei Lebensgefahr zulässig ist, „nur“ schwere Schäden für die körperliche oder seelische Gesundheit reichen nicht.
Die embryopathische Indikation
Sofern eine ernste Gefahr besteht, dass ein „Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein wird“, so § 97 Absatz 1 Zahl 2 StGB, kann durch eine Ärztin ebenfalls ohne zeitliche Beschränkung ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden. Das ist zB bei Missbildungen von Gliedmaßen oder bei diagnostizierter Trisomie 21 (Down-Syndrom) der Fall.
Die Indikation wegen Unmündigkeit
Ein weiterer Straflosigkeitsgrund liegt vor, wenn die Schwangere zur Zeit der Schwängerung unmündig gewesen ist, das heißt, dass sie unter 14 Jahre alt war. Auch hier muss der Eingriff durch eine Ärztin durchgeführt werden.
Gewissensklausel & Diskriminierungsverbot
Da Schwangerschaftsabbrüche eine heikle Angelegenheit sind, regelt § 97 Absatz 2 StGB, dass keine Ärztin verpflichtet ist, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder an ihm mitzuwirken. Ausgenommen ist nur die Situation, dass der Abbruch sofort notwendig ist, um die Schwangere aus einer unmittelbar drohenden, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr zu retten. Gleichzeitig darf niemand wegen der Durchführung eines straflosen Schwangerschaftsabbruchs oder einer entsprechenden Weigerung in irgendeiner Art benachteiligt werden.
Kurz gesagt:
In Österreich ist der Schwangerschaftsabbruch zwar grundsätzlich verboten, aber von diesem Verbot gibt es einige Ausnahmen, sodass im Ergebnis ein liberales Abtreibungsrecht vorliegt.
Unterschieden werden kann bei den Gründen für einen straflosen Schwangerschaftsabbruch zwischen der Fristenlösung, der medizinischen und embryopathischen Indikation sowie jener wegen Unmündigkeit.
Um der heiklen Situation um Abtreibungen gerecht zu werden, gelten die Gewissensklausel und ein Diskriminierungsverbot.
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