Nur Bares ist Wahres: Ein Recht auf Bargeld in der Bundesverfassung?
"Immer wieder hört man, das Bargeld soll abgeschafft werden. Ich als Bundeskanzler sage dir, das wird es in Österreich so nicht spielen." Diese dramatisch anmutenden Worte richtete Bundeskanzler Karl Nehammer am vergangenen Sonntag per Twitter-Video („X“) an die Österreicherinnen und Österreicher. Damit befeuert Nehammer eine Diskussion, die schon fast so alt ist wie der digitale Zahlungsverkehr selbst: Braucht es ein „Recht auf Bargeld“ in der österreichischen Bundesverfassung?
Ja, meint der Bundeskanzler. Darum möchte er – genauso wie andere ÖVP-Politiker:innen – einen Passus in das Österreichische Bundes-Verfassungsgesetz aufnehmen, der den Bürgerinnen ein Recht auf Barzahlung einräumt. Wie genau diese Bestimmung aussehen könnte, ist aktuell noch offen. Einen ersten Vorschlag soll das Finanzministerium unterbreiten.
Nein, meint Martin Selmayr. Er ist Vertreter der EU-Kommission in Österreich und beruft sich für seinen Standpunkt auf Art 128 des Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union: Danach sind „die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten (…) die einzigen Banknoten, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.“ Aus dieser Bestimmung lässt sich ableiten, dass Euro-Banknoten grundsätzlich das anerkannte Zahlungsmittel der Europäischen Union sind.
Diese Meinung vertritt auch der Europäische Gerichtshof: Nach EU-Recht muss es „in der Regel möglich sein (…), eine Geldleistungspflicht mit Euro-Bargeld zu erfüllen.“ Außnahmen von dieser Regel sind dann möglich, wenn sie im Einzelfall durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt sind. (Im konkreten Fall ging es übrigens um die Frage, ob das deutsche Bundesland Hessen seine Bürger:innen zur bargeldlosen Zahlung des Rundfunkbeitrags verpflichten darf.)
Das Recht auf Bargeld ist damit schon durch das Recht der Europäischen Union, das in allen Mitgliedstaaten genauso wie nationales Recht gilt, weitgehend abgesichert. Außerdem können sich Umfragen zufolge knapp 90 % der Österreicher:innen ohnehin nicht vorstellen, komplett auf Bargeld zu verzichten. Um eine generelle Abschaffung des Bargelds muss man sich also wohl kaum Sorgen machen, auch wenn im EU-Parlament aktuell über die Einführung einer Bargeld-Obergrenze von 10.000 € pro Transaktion diskutiert wird – damit sollen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung der Kampf angesagt werden.
Unterm Strich hätte eine Verfassungsbestimmung zur Sicherung des Bargelds also vor allem eine symbolische Bedeutung. Und selbst wenn sich – wie für alle Verfassungsgesetze nötig – im Parlament eine Zweidrittelmehrheit finden lässt, wäre die rechtliche Bedeutung einer solche Bestimmung äußerst umstritten. In Angelegenheiten der „Währungspolitik für die EU-Mitgliedstaaten“ sind nämlich ausschließlich die Organe der EU und nicht etwa die Mitgliedstaaten selbst zur Erlassung von Gesetzen zuständig. Daraus folgt ein sogenannter Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Das bedeutet: Sollten der Rat der EU und das EU-Parlament das Bargeld wider Erwarten doch abschaffen, wäre dagegen kein Kraut gewachsen. Selbst eine österreichische Verfassungsbestimmung wäre in diesem Fall wirkungslos.
Kurz gesagt
Bundeskanzler Nehammer macht sich zurzeit dafür stark, ein „Recht auf Bargeld“ in die österreichische Bundesverfassung aufzunehmen. Im Nationalrat bräuchte es dafür eine Zweidrittelmehrheit – Neben den Regierungsparteien müsste daher entweder die FPÖ oder die SPÖ zustimmen.
Fraglich ist, ob eine solche Verfassungsbestimmung überhaupt notwendig ist. Die Euro-Banknoten sind nämlich bereits durch die Verträge der Europäischen Union und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs weitgehend geschützt.
Außerdem ist zweifelhaft, welche Wirkungen ein Recht auf Bargeld in der österreichischen Verfassung überhaupt haben kann. Fragen der Währungspolitik fallen nämlich in die Kompetenz der EU, und Rechtsakte der Union haben selbst gegenüber nationalen Verfassungsgesetzen Vorrang. Der Plan des Bundeskanzlers bietet damit wohl keinen effektiven Schutz vor Reformplänen aus Brüssel
Comments