Matrei ohne Money? Rechtliches zum drohenden Konkurs der Tiroler Gemeinde
In der Tiroler Gemeinde Matrei, die wie auch viele andere Ortschaften in der Nähe eine atemberaubende Landschaft zu bieten hat, gibt es ein Problem. Konkret beziffern lässt sich dieses mit der Zahl 35.000.000. Das ist nämlich der Euro-Betrag, den die Gemeinde insgesamt 114 Gläubigerinnen schulden soll. Es droht also der Konkurs der Gemeinde. Aber was bedeutet der Konkurs und gibt es so etwas überhaupt bei Gemeinden?
Insolvenz - Konkurs - Sanierung: Worum geht‘s?
Ist eine Person insolvent, dann steckt sie in einer wirtschaftlichen Krise. Anders gesagt: Es steht fest, dass es der überschuldeten Person nicht mehr gelingen wird, alle ihre Gläubigerinnen rechtzeitig zu bezahlen. Aus Perspektive der Gläubigerinnen versteht sich: Wenn es zu wenig für alle gibt, dann schnell hin und her mit dem Geld! Genau das soll ein Insolvenzverfahren verhindern. Statt „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ gilt „Für alle ein bisschen!“. Alle Gläubigerinnen erhalten nämlich nur mehr einen Teil ihrer Forderung, die überschuldete Person ist ihre Schuld aber trotzdem los.
Schuldnerinnen in einem Insolvenzverfahren können alle sein, die rechtsfähig sind. Das sind vor allem natürliche und juristische Personen. Natürliche Personen sind Menschen wie du und ich, aber auch Einzelunternehmer (zB Steuerberater). Juristische Personen sind vor allem Gesellschaften (zB eine GmbH), aber eben auch Gemeinden und Länder.
Wird über das Vermögen einer Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet, kann das entweder als ein Konkurs- oder ein Sanierungsverfahren betrieben werden. Bei beiden Verfahrenstypen ist nach österreichischem Recht eine Sanierung möglich. Unter „Sanierung“ versteht man im Insolvenzrecht eine gemeinsame Lösung zwischen der Schuldnerin und ihren Gläubigerinnen. Die Schuldnerin einigt sich mit einer Mehrheit ihrer Gläubigerinnen auf ein Konzept, das regelt, wann sie wem wie viel zahlt. Das Gesetz legt dafür einen Rahmen fest. Dieser sogenannte Sanierungsplan kann zB die Verpflichtung der Schuldnerin enthalten, innerhalb der nächsten zwei Jahre ihren Gläubigerinnen jeweils 50 % ihrer Forderungen zu bezahlen. Der Unterschied zwischen Konkurs- und Sanierungsverfahren ist, dass die Schuldnerin im Sanierungsverfahren bereits zu Beginn einen Sanierungsplanvorschlag vorlegen muss. Gelingt das, hat die Schuldnerin zumindest nicht gleich den Verkauf ihres gesamten Hab und Guts zu befürchten und kann gegebenenfalls auch ihr Unternehmen weiterführen. Scheitert der Sanierungsversuch aber, wird das gesamte Vermögen der Schuldnerin verwertet und die Gläubigerinnen werden aus dem Erlös befriedigt.
Gemeinden: Wer ist das?
Gemeinden sind Verwaltungssprengel, Gebietskörperschaften und Selbstverwaltungseinrichtungen. Sie werden weisungsfrei im in der Verfassung festgelegten, eigenen Wirkungsbereich und weisungsgebunden in einem von Bund oder Bundesländern übertragenen Aufgabenbereich tätig. Sie verfolgen dabei öffentliche Interessen. Typische Aufgaben einer Gemeinde sind zB der Brandschutz oder das Rettungswesen.
Gemeinden können sich aber auch als "selbständige Wirtschaftskörper“ am allgemeinen Wirtschaftsleben beteiligen. Sie betreiben zB oft Freibäder oder Bibliotheken. Sie agieren dann wie andere Unternehmer und können wie andere private Wirtschaftsteilnehmer auch Schulden anhäufen.
Gemein den Gemeinden gegenüber?
Gemeinden können in Österreich – anders als in Deutschland – insolvent werden. Der vermutlich populärste Fall einer Gemeindeinsolvenz fand 1933 statt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) musste sich mit dem Konkurs der Gemeinde Donawits auseinandersetzen. Seitdem gab es so einen Fall nicht mehr.
Eine rechtliche Besonderheit bei der Insolvenz von Gemeinden ist, dass nicht das gesamte Vermögen der Gemeinde den Gläubigerinnen zur Verfügung steht. Ausgenommen ist jenes Vermögen, dass die Gemeinden zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben benötigen. Abgesehen davon gelten aber die allgemeinen Bestimmungen des Insolvenzverfahrens.
Möchte eine Gemeinde die Verwertung ihres Vermögens verhindern, braucht sie die Zustimmung ihrer Gläubigerinnen. Bleibt diese aus, muss auch die Gemeinde ihre Vermögenswerte verkaufen, um so wieder liquide Mittel zu schaffen.
Die unzufriedenen Gläubigerinnen und das schöne Matrei: wie schaut’s jetzt aus?
Der Schuldenberg der Gemeinde Matrei hat sich auf 35 Millionen Euro angehäuft. Diese sollen sich in 8,8 Millionen Euro an offenen Rechnungen, 14,2 Millionen Euro an Krediten sowie 12,7 Millionen Euro an Haftungen aufteilen. Die vom Land Tirol zugesagten 6,6 Millionen Euro scheinen in diesem Zusammenhang eher wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Matrei hat seinen 114 Gläubigerinnen eine Ausgleichsquote von 80 % vorgeschlagen. Jede Gläubigerin würde 80 % ihrer ursprünglichen Forderung erhalten. Eine Sanierung durch die Zustimmung der Gläubigerinnen war noch nicht erfolgreich. Bloß 60 der Gläubigerinnen haben bisher zugestimmt. Mit dem Rest soll noch verhandelt werden. Das sind viele Zahlen. Was bedeutet das jetzt für Matrei bzw andere Gemeinden?
Matrei droht der Konkurs, weil noch nicht mit genug Gläubigerinnen eine Einigung über die Ausgleichszahlungen erreicht werden konnte. Ein Sanierungsversuch ist noch nicht geglückt. Matrei muss auch weiterhin die in der Verfassung festgeschriebenen öffentliche Aufgaben wahrnehmen können und sollte daher unbedingt funktionsfähig bleiben.
Kurz gesagt:
Insolvenz, Konkurs und Sanierung ist im Insolvenzrecht geregelt. Hier geht es darum wie damit umgegangen wird wenn ein Unternehmen oder eine Privatperson ihre Schulden nicht mehr begleichen können.
Die Insolvenz kann Gemeinden treffen, obwohl es Sonderbestimmungen zum Schutz von gewissen Teilen des Gemeindevermögens gibt. Sie können sich als selbstständige Wirtschaftskörper am allgemeinen Wirtschaftsleben beteiligen.
Im aktuellen Fall wird im Rahmen des Sanierungsverfahrens nach einer Einigung mit den Gläubigerinnen gesucht. Findet sich eine solche nicht, droht der Konkurs.
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