top of page
AutorenbildDavid von der Thannen

Kurz-Schluss! Warum gegen wen ermittelt wird


2 Jahre nach Ibiza erlebt die Regierung Kurz neuerlich ein Armageddon: Was Ex-Vizekanzler Strache der berüchtigten Oligarchennichte auf Ibiza bloß in Aussicht gestellt hat, könnte vom damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz schon längst in die Tat umgesetzt worden sein. Eine Anordnung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) legt nämlich nahe, dass Kurz und seine engsten Vertrauten seit dem Jahr 2016 Verbrechen begangen hätten, die sie im Worst Case bis zu 10 Jahre hinter Gitter bringen könnten. Was den Beschuldigten dabei konkret vorgeworfen vorgeworfen wird, erfährst Du hier!


Einen Schritt zurück: Anstoß für die spektakulären Entwicklungen der vergangenen Woche gab die Causa Casinos, eine weitere Korruptionsaffäre betreffend die fragwürdige Berufung des Managers Peter Sidlo in den Vorstand des Glückspielkonzerns Novomatic. Anlässlich dieser Ermittlungen wurde das Mobiltelefon von Thomas Schmid, dem damaligen Vorstand der ÖBAG (= Gesellschaft zur Verwaltung staatlicher Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen) beschlagnahmt. Was die Auswertung dieser Handydaten alles zutage fördern sollte, hätten aber wohl nicht einmal die damit befassten Ermittlerinnen selbst für möglich gehalten.

Tausende Chatnachrichten brachten die WKStA nämlich auf die Spur der sogenannten Inseratenaffäre, die nunmehr seit einer Woche die medialen Schlagzeilen bestimmt. Gegenstand dieser Affäre ist die Vermutung, Sebastian Kurz und dessen engster Kreis hätten mit der Inhaberin eines Meinungsforschungsinstituts und den Herausgebern der Tageszeitung Österreich zusammengearbeitet, um politische Stimmungsmache im Kurz’schen Sinne zu machen. Als Gegenleistung für ihre Mitarbeit bei diesem Vorhaben seien sowohl die Meinungsforscherin Sabine Beinschab als auch die Zeitungsherausgeber Wolfgang und Helmuth Fellner mit staatlichen Fördergeldern von über € 1 000 000,- entlohnt worden, über die Thomas Schmid und Johannes Pasquali in ihrer Funktion im Finanzministerium verfügen konnten. Diese Zahlungen sollen freilich nicht direkt geflossen, sondern als Abrechnungen für staatliche Studien oder Zeitungsinserate im Informationsinteresse der Allgemeinheit getarnt worden sein.

Aufgrund dieses Sachverhalts führt die WKStA in der Inseratenaffäre aktuell insgesamt zehn Beschuldigte, und zwar:


Sebastian Kurz

bis 2017 Außenminister, danach österreichischer Bundeskanzler

Thomas Schmid

ehemaliger Generalsekretär im Finanzministerium

Johannes Pasquali

ehemaliger Leiter Öffentlichkeitsarbeit im Finanzministerium

Sophie Karmasin

bis 2017 „Familienministerin“, dazu Inhaberin einer Meinungsforschungsagentur

Sabine Beinschab

Inhaberin einer Meinungsforschungsagentur

Wolfgang Fellner

Herausgeber der Tageszeitung Österreich

Helmuth Fellner

Bruder von Wolfgang, der mit ihm eng zusammenarbeitet

Stefan Steiner

ehemaliger Sektionschef im Außenministerium, langjähriger politischer Berater der ÖVP

Gerald Fleischmann

​ehemaliger Mitarbeiter im Außenministerium, ab 2017 stellvertretender Kabinettchef von Kurz

Johannes Frischmann

Pressesprecher von Kurz


Dabei werden die Beschuldigten von der WKStA der folgenden Straftaten verdächtigt:


I. Untreue

Sofern sich der Tatverdacht bestätigen, droht den Beschuldigten allesamt eine Verurteilung wegen Untreue. Der Untreue (§ 153 StGB) macht sich nämlich strafbar, wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und den anderen dadurch finanziell schädigt. Entsteht durch die Untreue ein Schaden von über € 300 000,-, dann droht dem Täter im schlimmsten Fall eine zehnjährige Freiheitsstrafe.


In der Inseratenaffäre soll Johannes Pasquali als Beamter im Finanzministerium seine Befugnis dadurch missbraucht haben, dass er Fördergelder des Ministeriums wissentlich für fremde Zwecke, nämlich für die anfangs beschriebene Berichterstattung, ausgezahlt hat. Er wird daher verdächtigt, der sogenannte Haupptäter der Untreuehandlung zu sein.

Genauso strafbar wie die Haupttäterin machen sich aber auch sogenannte Bestimmungs- und Beitragstäterinnen. Bestimmungstäterin (umgangssprachlich "Anstifter") ist, wer den Haupttäter zu seiner Tat motiviert und veranlasst. Dementsprechend werden Sebastian Kurz und Thomas Schmid in der Inseratenaffäre als Bestimmungstäter zur Untreue verdächtigt, weil sie Johannes Pasquali zum Missbrauch seiner Befugnis über das staatliche Vermögen veranlasst haben sollen. Den weiteren Beschuldigten wird betreffend die Untreue vorgeworfen, Beitragstäter zu sein. Beitragstäterin ist jede, die zur Begehung einer Straftat einen sonstigen, fördernden Beitrag leistet. Dazu eine wichtige Info am Rande: Egal ob es zur Verurteilung als Haupt-, Bestimmungs-, oder Beitragstäter kommen sollte, den Beschuldigten droht grundsätzlich dasselbe (!) Strafmaß; im konkreten Fall also eine Freiheitsstraße von 10 Jahren.


II. Bestechung

Zusätzlich zum Verdacht der Untreue werden Wolfgang und Helmuth Fellner auch der Bestechung beschuldigt. Wegen Bestechung (§ 307 StGB) macht sich strafbar, wer einem Amtsträger für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts einen Vorteil verspricht oder gewährt. Übersteigt der Wert dieses Vorteils den Betrag von € 50 000,-, dann droht den Beschuldigten wiederum eine Haftstrafe von bis zu 10 Jahren.

Im konkreten Fall sollen die Brüder Fellner zwei Amtsträgern aus dem Finanzministerium, nämlich Thomas Schmid und Johannes Pasquali, die Veröffentlichung Kurz-freundlicher Inhalte versprochen und gewährt haben. Nach Ansicht der WKStA wurde hier also ein Vorteil zugunsten eines Dritten – nämlich Sebastian Kurz – versprochen. Im Gegenzug sollen die beiden Amtsträger pflichtwidrig staatliche Fördermittel an die Herausgeber der Fellner-Gruppe ausgezahlt haben.


III. Bestechlichkeit

Das Delikt der Bestechlichkeit bildet eine spiegelbildliche Straftat zur Bestechung: Demnach ist bestechlich, wer bestochen wird. Nach § 304 StGB macht sich nämlich jeder Amtsträger strafbar, der für ein pflichtwidriges Amtsgeschäft einen Vorteil fordert oder annimmt. Weil Thomas Schmid und Johannes Pasquali vorgeworfen wird, für die vermeintlichen Zahlungen an die Fellner-Brüder positive Berichterstattung zu Gunsten von Sebastian Kurz zugesagt bekommen und erhalten zu haben, werden sie der Bestechlichkeit verdächtigt. Sie gelten wiederum als vermeintliche Haupttäter. Der ehemalige Bundeskanzler selbst wird diesbezüglich erneut als Bestimmungstäter geführt: Er soll Thomas Schmid zur Vorteilsannahme und Auszahlung der staatlichen Fördermittel motiviert und angeleitet haben. Die Meinungsforscherinnen und weiteren Vertrauen werden von der WKStA als Beitragstäter eingeordnet, haben sie die Tat durch ihre helfenden Beiträge dem Vorwurf nach doch überhaupt erst möglich gemacht.


Ob es angesichts der Verdachtslage auch tatsächlich zur Anklage oder gar Verurteilung der Beschuldigten kommen wird, bleibt mit Spannung abzuwarten. Bis zur rechtskräftigen Verurteilung hat nach § 8 der österreichischen Strafprozessordnung jedenfalls für alle Beschuldigten die Unschuldsvermutung zu gelten.



Kurz gesagt

  • Anlässlich von Ermittlungen in der Causa Casinos wurde vor etwa zwei Jahren das Handy von Thomas Schmid sichergestellt. Auf diesem konnten unzählige Chatnachrichten rekonstruiert werden, wodurch die Inseratenaffäre ins Rollen gebracht wurde.

  • In der Inseratenaffäre wird gegen Sebastian Kurz und neun weitere Personen ermittelt. Ihnen wird zusammengefasst vorgeworfen, staatliche Fördergelder für einseitige Meinungsumfragen und Zeitungsberichte im persönlichen Interesse veruntreut zu haben.

  • Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung vor. Strafbar macht sich nicht nur die sogenannte Haupttäterin, sondern auch, wer als als Bestimmungs- oder Beitragstäter handelt. Das Strafrecht sieht dabei grundsätzlich für alle Täterschaftsformen das gleiche Strafmaß vor.




Commentaires


bottom of page