Die ungarische Ratspräsidentschaft: "Make Europe Great Again"?
Ungarn übernahm gestern, am 1. Juli 2024, für sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Als Motto wählte das Land "Make Europe Great Again". Die ungarische Ratspräsidentschaft wurde schon lange im Vorhinein kritisch gesehen. Doch welche Kompetenzen hat die Vorsitzende?
Der Rat der Europäischen Union ("Rat"), auch EU-Ministerrat genannt, ist eines der Organe der EU.
Welche Organe hat die EU? [aufklappbar durch Klick auf den Pfeil]
Der Rat verfügt über wichtige Aufgaben und Kompetenzen:
Er nimmt die Gesetzgebungsbefugnisse der Europäischen Union gemeinsam mit dem Europäischen Parlament oder allein wahr.
Für die Verhängung von Sanktionen ist ein einstimmiger Beschluss des Rates erforderlich. Eine Zustimmung des Parlaments wird nicht benötigt.
Der Rat genehmigt zusammen mit dem Parlament den Haushaltsplan.
Er schließt die internationalen Abkommen der EU ab.
Der Rat tagt – je nach behandeltem Sachgebiet – in verschiedenen Zusammensetzungen. Diese sind in der Geschäftsordnung festgelegt (z.B. Justiz und Inneres oder Umwelt). Jeder Mitgliedstaat entscheidet selbst darüber, auf welche Weise er sich vertreten lässt. Die Mitgliedstaaten werden daher normalerweise jeweils von den zuständigen Ministerinnen im Rat vertreten. Im Sachgebiet Umwelt wird Österreich zum Beispiel von der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vertreten. Die Frage, ob die Bundesministerin einem Entwurf zustimmen darf, führte vor zwei Wochen zu einem Koalitionsstreit.
Der Rat der Europäischen Union darf nicht mit dem Europäischen Rat verwechselt werden. Dieser besteht aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten und hat keine direkte Rolle in der Gesetzgebung der EU.
Vorsitz im Rat
Den Vorsitz (auch EU-Ratspräsidentschaft genannt) hat immer ein Mitgliedstaat. Diesem kommt innerhalb der EU eine verantwortungsvolle Rolle zu. Er organisiert alle (Vorbereitungs-)Tagungen und Termine und leitet auch fast alle Ratssitzungen. Der vorsitzende Mitgliedsstaat wird daher auch als "Gastgeber" bezeichnet. Die EU-Ratspräsidentschaft soll auch Kompromisse zwischen den Mitgliedstaaten erarbeiten. Die EU-Ratspräsidentschaft hat auch die Aufgabe, Kompromisse zwischen den Mitgliedstaaten herbeizuführen. Dadurch hat der Ratsvorsitz einen großen Einfluss auf die EU. Außerdem vertritt der vorsitzende Mitgliedstaat den Rat gegenüber den anderen Institutionen der EU, zum Beispiel dem Parlament.
Um eine gewisse Kontinuität zu gewährleisten, wird der Vorsitz im Rat von zuvor festgelegten Gruppen von drei Mitgliedstaaten ("Trio") für einen Zeitraum von 18 Monaten wahrgenommen. Derzeit sind dies Spanien, Belgien und Ungarn. Gemeinsam haben sie ein Trioprogramm erstellt. Jedes Mitglied des Trios übernimmt den Vorsitz für einen Zeitraum von 6 Monaten und wird dabei von den anderen Mitgliedern des Trios unterstützt. Nachdem Spanien und Belgien die Ratspräsidentschaft im letzten Jahr übernommen haben, ist vom 1. Juli 2024 Ungarn an der Reihe. Das Programm, das sich Ungarn gesetzt hat, kann auf der Website der ungarischen Ratspräsidentschaft nachgelesen werden. Das Motto lautet "Make Europe Great Again" Das Programm nennt folgende Prioritäten:
Ein neuer Wettbewerbsfähigkeitsdeal
Stärkung der europäischen Verteidigungspolitik
Eine konsequente und leistungsorientierte Erweiterungspolitik
Eindämmung der illegalen Migration
Die Zukunft der Kohäsionspolitik gestalten
Eine Landwirte-orientierte Agrarpolitik
Bewältigung der demographischen Herausforderungen.
Kritik an Ungarn
Die ungarische Ratspräsidentschaft wird kritisch betrachtet, da die EU-Institutionen schon seit Jahren ein schwieriges Verhältnis zu Ungarn haben:
Gegen Ungarn läuft seit 2018 ein Verfahren nach Artikel 7 des Vertrages über die Europäische Union ("EUV"). Was ist das? [aufklappbar durch Klick auf den Pfeil]
Gegen Ungarn laufen mehrere Vertragsverletzungsverfahren. [aufklappbar durch Klick auf den Pfeil]
Ungarn wurde wegen eines anderen Vertragsverletzungsverfahrens zu einer Geldstrafe von EUR 200 Millionen sowie EUR 1 Millionen täglich verurteilt. [aufklappbar durch Klick auf den Pfeil]
Ungarn verzögerte Entscheidungen auf EU-Ebene mehrmals mit Vetos. [aufklappbar durch Klick auf den Pfeil]
Das Europäische Parlament hatte unter anderem aus diesen Gründen Bedenken gegen die Übernahme der Ratspräsidentschaft durch Ungarn. Offensichtlich konnte keine Mehrheit oder andere Lösung gefunden werden, um dies zu verhindern. Die nächsten sechs Monate werden zeigen, in welche Richtung sich die EU unter der ungarischen Ratspräsidentschaft und dem neu zusammengesetzten Europäischen Parlament entwickeln wird.
Kurz gesagt:
Der Rat der Europäischen Union, der auch EU-Ministerrat genannt wird, ist eines der Organe der EU. Er hat wichtige Aufgaben und Kompetenzen, unter anderem in der Gesetzgebung.
Dem Mitgliedstaat, der den Vorsitz innehat (der also die Ratspräsidentschaft innehat), kommt innerhalb der EU eine verantwortungsvolle Rolle zu. Er organisiert alle (Vorbereitungs-)Tagungen und Termine und leitet auch fast alle Ratssitzungen.
Die Feststellung, dass eine schwerwiegende Verletzung der in Artikel 2 genannten Werte vorliegt oder eine solche Gefahr besteht kann nur einstimmig durch alle Mitgliedstaaten getroffen werden. Nachdem diese Feststellung getroffen wurde, kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit bestimmte Mitgliedsrechte aussetzen: Sogar das Stimmrecht kann entzogen werden.
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