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AutorenbildSebastian Öhner

Die Straße(n) zum Glück? Hintergründe zur Evaluation von Lobautunnel und Co.

Der geplante Lobautunnel ist, genauso wie andere Straßenbauprojekte, eher geradlinig. Ganz gegenteilig, weil weit verzweigt, zeigen sich aber die Voraussetzungen, die bei der Neuerrichtung von Bundesstraßen zu beachten sind. Fragen von der innerstaatlichen Aufgabenverteilung, der Genehmigungsfähigkeit, bis hin zu politischen Grundhaltungen werden in diesem Zusammenhang schon lange hitzig diskutiert. Insofern bringt dieser Beitrag sprichwörtlich Licht in den Tunnel und erklärt, wovon die Genehmigung des Lobautunnels abhängen wird.



Worum geht es genau?


Die ganze Aufregung betrifft hauptsächlich zwei Projekte, die Teil der aktuell durchgeführten Evaluierung sind: einerseits die Wiener Außenring Schnellstraße S1, bei der unter anderem ein Tunnel durch die Lobau errichtet werden soll und andererseits die nicht weniger umstrittene S18 Bodensee Schnellstraße in Vorarlberg. Beide Projekte sind schon sehr lange in Planung (Pläne für die S1 wurden 2002 zum ersten Mal besprochen, jene für die S18 Schnellstraße im Jahr 2006) und haben dabei bereits einige Verfahrensschritte durchlaufen. Genau diese langjährigen Planungen dienen nun aber auch als Ansatzpunkt, um die geplanten Projekte angesichts geänderter Anforderungen erneut in Frage zu stellen. Genauer gesagt, soll bis zum Herbst nochmals überprüft werden, ob die Straßenbauprojekte mit der Einhaltung des im Regierungsprogramm verankerten Ziels der Klimaneutralität bis 2040 vereinbar sind. In Zusammenhang mit den angesprochenen Straßenbauprojekten besteht nämlich ein offenbarer Interessenkonflikt zwischen Bestrebungen zur räumlichen Entwicklungsplanung und Verkehrsentlastung auf der einen und jenen des Klimaschutzes auf der anderen Seite.


Das Herzstück des Bundesstaates, oder: Wer darf was entscheiden?


Für die juristische Beurteilung der Projekte muss man sich zudem das anschauen, was gerne als „Herzstück der bundesstaatlichen Verfassungsprinzip“ bezeichnet wird: die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Eine solche ist notwendig, weil Österreich als Bundesstaat eine Aufgabenverteilung zwischen dem Bund (also dem Staat selbst) und den einzelnen Ländern (also den neun Bundesländern) regeln muss. Verankert in den Artikeln 10 bis 15 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) ist also, wer über welchen zu regelnden Lebensbereich die gesetzlichen Regeln beschließen darf und auch, wer für deren Einhaltung verantwortlich ist.

In Straßenangelegenheiten ist die Kompetenz zwischen Bund und Ländern geteilt. Wenn man auf dem Weg zum Urlaubsziel von Landstraßen oder einer Bundes- bzw. Schnellstraße redet, hat das also tatsächlich einen rechtlichen Hintergrund. Im Fall der Evaluierung der Straßenbauprojekte wie bspw. dem Lobautunnel, lässt sich die Kompetenz konkret aus Art 10 Abs 1 Ziffer 9 B-VG ableiten, denn es handelt sich jeweils um Bundesstraßen, die im Bundestraßengesetz (BStG) geregelt werden. Zuständig ist hier also der Bund in Gesetzgebung und Vollziehung. Dabei versteht man unter Vollziehung schlicht und einfach die Umsetzung der Gesetze. Dies kann beispielsweise durch einen Verwaltungsakt oder eine Gerichtsentscheidung passieren.


Aber auch innerhalb des Bundes gibt es eine gewisse Art der Aufgabenverteilung. Diese erfolgt anhand des sogenannten Ministerial- oder Ressortsystems, das die Aufgabenbereiche der einzelnen Ministerinnen festlegt. Die genaue Anzahl und Bezeichnung der Ministerien wird dabei erst in den Koalitionsverhandlungen besprochen und anschließend im Bundesministeriengesetz (BMG) festgehalten. Die hier eingesetzten Personen haben mit ihrem Amtsantritt „Behördenqualität“: Das bedeutet, dass die Bundesministerinnen selbst Behörden sind und, unter anderem, Bescheide erlassen können, während der restliche ministerielle Apparat als „Hilfsorgan“ für sie tätig ist. So hat Leonore Gewessler momentan die Stelle als Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) inne und ist in diesem Zusammenhang auch für die Umsetzung von Straßenbauprojekten auf Bundesebene zuständig.

Entscheiden, ja. Bauen, nein.


Wenn man sich vor Augen führt, dass es sich beim Lobautunnel um ein „Straßenbauprojekt der Asfinag“ handelt, ist es nur verständlich zu fragen, wie und ob eine Bundesministerin hier überhaupt eingreifen kann. Denn die Konkretisierung der Rolle der Autobahn- und Schnellstraßen Finanzierungs-Aktiengesellschaft, oder kurz gesagt, der Asfinag, ist ein weiterer Baustein, der für das Verständnis der Aufgabenverteilung notwendig ist. Die Aufgaben des Unternehmens sind dabei vor allem die Finanzierung, Planung und der Bau von Bundesstraßen. Hier werden also die konkreten Umsetzungsschritte für die jeweiligen Straßenbauprojekte gesetzt. Insgesamt besteht aber natürlich trotzdem eine sehr starke Verbindung zwischen Asfinag und BMK: die Aktien der Gesellschaft stehen gänzlich im Eigentum der Republik Österreich. Das Ministerium errichtet die von ihm gewünschten Bundesstraßen somit nicht selbst, sondern bedient sich zu deren tatsächlicher Umsetzung der Asfinag.


Wie werden diese Vorhaben überprüft?


Die Überprüfung der Bundesstraßen erfolgt gemäß dem Bundesstraßengesetz (BStG) in allen Planungsstufen und umfasst somit die Bereiche der Voruntersuchungen bis hin zu den tatsächlichen Bauprojekten. Ein besonders wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang das verpflichtend durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren (UVP-Verfahren), bei dem vorab die möglichen Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt festgestellt werden sollen. Die für den Umweltschutz relevanten Rechtsbereiche sind dabei in verschiedene Themengebiete gegliedert: Es gibt zu erfüllende Voraussetzungen aus dem Wasserrecht, dem Naturschutzrecht, dem Forstrecht, dem Immissions- bzw. Luftschutz und vielen mehr.


Im UVP-Verfahren für Bundesstraßen ist ein sogenanntes teilkonzentriertes Verfahren durchzuführen: Das bedeutet, dass für die Bundeskompetenzen wie z.B das Wasser- oder Abfallrecht das BMK zuständig ist, für die Überprüfung der Landeskompetenzen, wie beispielsweise das Naturschutzrecht, aber die jeweilige Landesregierung zu sorgen hat. Damit ein Projekt also zugelassen werden kann, wird eine Überprüfung der einzelnen Bereiche durchgeführt. Dann wird in weiterer Folge im Rahmen einer gesamtheitlichen Einschätzung festgehalten, ob das Vorhaben genehmigungstauglich ist oder nicht.


Der Ausgang ist offen

Angefangen mit dem „Steinzeit-Sager“ von Bundeskanzler Sebastian Kurz, über eine angedrohte Klage durch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, bis hin zu einem Gutachten der Wirtschaftskammer, in dem die Möglichkeit, der Asfinag einen Baustopp zu erteilen, in Frage gestellt wurde, gab es zu der Evaluierung viele Wortmeldungen. Diese, auf unterschiedlichen Interessenlagen basierenden Äußerungen zeigen, wie viel Diskussionsstoff die Neuerrichtung der Bundesstraßen bietet. Was den Ausgang der aktuellen Evaluierung betrifft, ist das Ergebnis laut Leonore Gewessler offen. Hier müssen wir also bis zum Herbst warten um zu erfahren, wo die Reise hingeht. Eines ist aber gewiss: Diskutiert wird sicher bis zum Schluss.


Kurz gesagt:

  • Bei der Evaluation werden alle Straßenbauprojekte der Asfinag auf ihre Vereinbarkeit mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2040 überprüft.


  • Bei den Projekten „Lobautunnel“ und „Bodensee Schnellstraße“ handelt es sich um Bundesstraßen. Diese fallen in Gesetzgebung und Vollziehung in die Kompetenz des Bundes und in den Aufgabenbereich des BMK.


  • Bei Bundesstraßen ist jedem Planungsschritt eine Überprüfung auf ihre Umweltverträglichkeit durchzuführen, wobei die möglichen Auswirkungen des Projekts auf verschiedene, für den Umweltschutz relevante Bereiche überprüft werden.

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